Rechtsfragen zu Musikdownloads – Urteil des EuGH vom 18.10.2018
EuGH hat in der Rechtssache C 149/17 (Bastei Lübbe) entschieden: Der Anschlussinhaber muss zu ermitteln versuchen, wer über seinen Anschluss einen Urheberrechtsverstoß begangen haben kann. Anderenfalls haftet er. Eine Berufung auf eine Privilegierung bei Familienmitgliedern ist nicht zulässig.
Am 18. Okt. 2018 hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Fragen rund um Filesharing, Download und Haftung für Familienmitglieder befasst.
Ähnlich dem Schlussantrag des Generalanwalts Szpunar bejaht der EuGH eine Pflicht zur Nachforschung. Der Schutz der Familie dürfe nicht die Rechte des Urhebers von geschützten Werken aushebeln.
Eshat sich gezeigt, dass nun abmahnende Kanzleien oder Rechteinhaber vermehrt behaupten, dass der EuGH die Haftung des Anschlussinhabers für Familienmitglieder grundsätzlich bejaht habe. Dies ist in dieser umfassenden Weise allerdings nicht der Fall.
Zu den Hintergründen:
1. BGH zu Musikdownloads durch minderjährige Kinder
In drei Urteilen vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14 bestätigt und konkretisiert der BGH seine Rechtsprechung zur sog. Störerhaftung von Eltern für Urheberrechtsverstöße, die durch ihre minderjährigen Kinder begangen wurden. Die Eltern wurden hier in empfindlicher Höhe zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
Worum ging es?
a) In einem der Verfahren (Az. I ZR 75/14) hat sich der Anschlussinhaber damit verteidigt, dass er mit seiner Familie in Urlaub gewesen sei und alle Geräte, insb. also die Computer und den Router, abgeschaltet habe. Daher müsse die Ermittlung der IP-Adresse fehlerhaft gewesen sein.
Der BGH hat die Ermittlung durch Ermittlungsdienste als hinreichend sicher angesehen. Mangels alternativer Begehungsalternativen wurde der Anschlussinhaber als Verantwortlicher angesehen. Dass die Familie in Urlaub gewesen sei, wurde nach Beweisaufnahme nicht geglaubt.
Konsequenzen für die Praxis:
- Die Verteidigung, dass die Ermittlungen fehlerhaft sein können, wird kaum noch akzeptiert.
- Eine Verteidigung, dass man im Urlaub gewesen sei, ohne konkrete Buchungen usw. vorzulegen, ist nicht erfolgversprechend.
- Dass man alle Geräte, die für den Zugang ins Internet erforderlich sind, abgeschaltet habe, ist nicht mehr erfolgversprechend, da dann offen bleibt, welche alternative Begehung zu einem Verstoß durch Dritte geführt haben sollte.
- Man muss quaifiziert darlegen, wer Zugang gehabt haben könnte und dass diese Personen jeweils bestätigt haben, nicht Täter gewesen zu sein.
b) In dem Verfahren I ZR 7/14 wurde – u.a. durch Auswertung einer Aussage vor der Polizei – festgestellt, dass die minderjährige Tochter der Anschlussinhaberin die Verletzungshandlung begangen hat. Grundsätzlich kann sich der Anschlussinhaber dann darauf berufen, dass er nicht verantwortlich gewesen sei. Allerdings muss er bei minderjährigen Kindern beweisen, dass er seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Im entschiedenen Fall konnte der Anschlussinhaber nicht beweisen, dass er seine 14-jährige Tochter hinreichend belehrt oder sonstige Kontrollen durchgeführt hatte. Insb. ist erforderlich eine hinreichend klare Belehrung. Hat man Anhaltspunkte für mögliche Verstöße, muss man auch intensivere Kontrollen durchführen.
Konsequenzen für die Praxis:
- Minderjährige sollten nachweislich belehrt werden (wir haben eine Musterbelehrung Urheberrechte im Internet entworfen). Wie und warum belehrt wurde, sollte nachvollziehbar belegt werden können.
- Möglichst sollten auch keine Administratorenrechte an Kinder für die Installation entsprechender Software erteilt werden.
c) Im dritten Verfahren (I ZR 19/14) konnte der Anschlussinhaber ebenfalls keine alternativen Täter aufzeigen. Weder seine Ehefrau noch der 17-jährige Sohn hatten Administratorenrechte. Alternative Täter kamen aufgrund des Vortrags nicht in Betracht. Somit wurde hier der Anschlussinhaber als Täter zu Schadensersatz verurteilt.
Konsequenzen für die Praxis:
- Es ist aufzuzeigen, dass und wie andere Personen entweder rechtswidrig oder berechtigterweise Zugang erlangen können.
- Dabei ist hilfreich, wenn man alle Zugangsberechtigten nachweislich belehrt hat. Eine mögliche Musterbelehrung Urheberrechte im Internet steht zum Download bereit.
Zusammenfassend fußt die neue Rechtsprechung konsequent auf den bisherigen Entscheidungen, insb. der sog. Morpheus-Entscheidung (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12) und konkretisiert die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchsinhabers.
Wichtig erscheint, eine Belehrung möglichst in schriftlicher Form, vorlegen zu können.
2. Musikdownloads durch Volljährige Familienmitglieder oder Dritte
Bei volljährigen Familienmitgliedern muss keine ausdrückliche Belehrung erfolgen, so der BGH.
Allerdings muss nach neuester Rechtsprechung der Anschlussinhaber zu ermitteln versuchen, wer tatsächlich den illegalen Download durchgeführt hat. Diese Person muss er offenbaren.
Sollte eine solche Person nicht ermittelbar sein, weil entweder alle möglichen Nutzer versichert haben, dass sie den Verstoß nicht begangen haben, so ist zumindest auch dieses Ergebnis mitzuteilen.
Dieselben Grundsätze gelten neuerdings auch bei Dritten, denen man den Zugang gewährt hat.
Hat man also – volljährigen – Besuch, gewährt man diesem als nette Geste einen Zugang zum WLAN, nutzt der Besuch dann diesen Zugang für einen illegalen Download, so haftet der Anschlussinhaber nicht für etwaige Verstöße. Das gilt auch dann, wenn keine ausdrückliche Belehrung über das Verbot illegaler Downloads erfolgt ist.
Konsequenzen für die Praxis:
- Es ist mitzuteilen, welche anderen volljährigen und auch minderjährigen Personen Zugang zum betroffenen Internetzugang gewährt wurde. Hier gibt es keinen Familienschutz mehr
- Es ist weiter darüber zu informieren, dass man versucht hat, den Verantwortlichen zu finden. Wenn man ihn gefunden hat, ist er namentlich zu benennen.
3. Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH vertritt nun die Auffassung, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurde, für diesen Verstoß haftbar gemacht werden kann, wenn er sich weigert, ein Familienmitglied zu benennen, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war. Alleine die Berufung auf den Schutz der Familie ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen, ist nach Auffassung des EuGH nicht ausreichend. In einem solchen Fall muss der Anschlussinhaber für die Verletzung der Urheberrechte einstehen.
Grundsätzlich liegt diese Entscheidung auf einer Linie mit der jüngsten Rechtsprechung auch in Deutschland, wonach zumindest Nachforschungen betrieben werden müssen, wer für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich sein könnte.
Neu ist höchstens, dass je nach Fallgestaltung nun auch Details zur Nutzung durch die Angehörigen mitgeteilt werden müssen.
Im Grunde bestätigt der EuGH mit seinem jüngsten Urteil nur die jüngste Rechtsprechung der federführenden deutschen Gerichte. Allerdings wird man wohl zukünftig durchaus umfangreicher zu Fragen der Internetnutzung durch die anderen Familienmitglieder ermitteln und vortragen müssen, um sich erfolgreich einer Störerhaftung erwehren zu können.