Warum sind die Änderungen so bedeutsam?

Das Kaufrecht, wie es zum 1.1.2002 eingeführt wurde, ist in den letzten 20 Jahren mehrfach aktualisiert worden. Anders als bisher erfährt es nun zum 1.1.2022 allerdings ganz erhebliche Modifizierungen und umfassende Neuregelungen, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher von großer Bedeutung sind.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
  • Einführung einer neuen Produktkategorie der Digitalen Produkte
  • Updatepflichten für Digitale Produkte
  • Verschärfung der Definition eines Mangels zu Lasten des Verkäufers
  • Beweislastumkehr zugunsten von Verbrauchern verlängert sich auf 1 Jahr
  • Umfassenderer Regress innerhalb der Lieferkette

Zu den Änderungen im Einzelnen:

  1. Einführung einer neuen Produktkategorie der sog. Digitalen Produkte

Unter Digitalen Produkte (§ 327 BGB) werden einerseits digitale Inhalte (Daten, z.B. Softwareanwendungen, Programme, Datensammlungen usw.) verstanden, andererseits digitale Dienstleistungen, z.B. Auftragsdatenverarbeitungsprodukte.

Softwareanwendungen, z.B. Apps für die Steuerung der Antriebsunterstützung, Navigationssysteme usw., fallen unter diese neue Produktkategorie.

Für solche Produkte, die bisher weitestgehend unter das allgemeine Kaufrecht gefasst wurden, finden sich nun diverse Regelungen für die Bereitstellung, für das Vorgehen bei Mängeln usw.

Besonders bedeutsam für Hersteller ist, dass nun ein Updateservice zur Sicherstellung der Nutzbarkeit verpflichtend eingeführt wird, der nicht mit dem Ende der Gewährleistungsfrist (24 Monate) endet. Der Verkäufer hat „Aktualisierungen“ bereitzustellen und hierüber zu informieren, wenn die Aktualisierung für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit (also insb. der Nutzbarkeit) erforderlich ist. Das bedeutet: Aktualisierungen sind gem. § 327f BGB für den „Bereitstellungszeitraum“ vorzunehmen, wenn ein solcher Zeitraum definiert ist. Ohne solche Definition besteht diese Pflicht für den Zeitraum, „den der Verbraucher für das Produkt erwarten kann“. Erfüllt man diese Pflichten nicht, so gilt das Produkt insgesamt als mangelhaft.

Wenn man selbst die Produkte nur bezieht und nicht selbst programmiert, so muss man mit seinen Lieferanten entsprechende Regelungen treffen, damit diese Pflicht erfüllt wird.

  1. Paketverträge

Enthält ein Produkt Software, ohne die das Produkt nicht nutzbar ist, so gilt für die Software das Recht über digitale Produkte, insb. also auch die Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen nebst Bekanntgabe derselben.

Zum anderen gilt für das sonstige Produkt, ab dem 1.1.2022 „Ware“ genannt, das allgemeine Kaufrecht in der dann aktuellen Fassung.

  1. Änderungen beim Mängelbegriff

Nach bisheriger Rechtlage hatte die vertragliche Vereinbarung der Beschaffenheit Vorrang vor einer üblichen Beschaffenheit.

Dieser Vorrang wird nun abgeschafft. Ab dem 1.1.2022 gilt:

Der Käufer kann sich auf die vertragliche Vereinbarung zur Beschaffenheit verlassen, wie bisher. Daneben und zusätzlich, also kumulativ, muss die Ware aber auch die übliche Beschaffenheit von Waren dieser Art erfüllen.

Der Vorrang der vertraglichen Abrede ist also weitestgehend abgeschafft.

Das bedeutet auch, dass es u.U. deutlich schwieriger ist, sog. B-Ware rechtssicher zu verkaufen. Jedenfalls an Verbraucher wird man B-Ware nicht ohne weiteres verkaufen können, ohne befürchten zu müssen, dass diese die B-Ware als fehlerhaft reklamieren können. Man muss deutlich offensiver und vor allem nachweisbar im Vertrag mit dem Verbraucher die konkreten Fehler und Mängel solcher B-Ware kommunizieren. Anderenfalls droht die Gefahr, dass der Verbraucher die Ware zu günstigem Preis erwirbt und sodann die Mängel reklamiert.

Für Ware, die auch digitale Komponenten für den Betrieb benötigen, also z.B. die Steuerungssoftware von EPAC oder auch für die elektronische Schaltung, gelten die Regelungen für Paketverträge: Insb. muss für die Software ein kostenfreier Updateservice bereitgestellt werden.

  1. Verlängerung der Beweislastumkehr

Die Dauer der Beweislastumkehr, also die Zeit, während der vermutet wird, dass ein sich zeigender Mangel bereits anfänglich vorhanden war, wird auf 12 Monate verlängert.

  1. Erleichterungen beim Regress innerhalb der Lieferkette

Der Regress innerhalb der Lieferkette bis zum Hersteller des Endproduktes wird erleichtert und erweitert. Zwar gilt nach wie vor, dass der Mangel vorhanden gewesen sein muss. Insb. werden die Fristen für einen Regress auf bis zu 6 Monate nach dem Ablauf der Gewährleistungsfrist zwischen letztem Verkäufer und Verbraucher verlängert.

Diverse weitere Verschärfungen zu Lasten von Unternehmen sind vorhanden, z.B. hinsichtlich der Abfassung von Garantieerklärungen.

Für die Unternehmen bedeutet dies, dass sowohl die Verkaufsbedingungen als auch die Einkaufsverträge überprüft werden müssen, letztere insb. auch in Hinblick auf mögliche Aktualisierungspflichten für digitale Produkte, aber z.B. ebenfalls auf Regressmöglichkeiten bei einem Verbraucherregress.