Lieferengpässe bei bestimmten Produkten

Am Beispiel der Bauelementeknappheit im Jahre 2011 hat sich eine wichtige Frage gestellt, die immer wieder von Bedeutung für die Unternehmen ist: Was passiert bei Engpässen an Beschaffungsmärkten? Wie kann man sich absichern? Welche rechtlichen Möglichkeiten für eine Verzögerung der Auslieferung von Produkten bestehen?

Dies gilt auch jetzt wieder in besonderem Maße wegen Engpässen aufgrund der Corona-Krise und drohenden bzw. tatsächlichen Unterbrechungen der Beschaffungsketten gerade für Vorprodukte.

Die Folgen des verheerenden Erdbebens in Japan verschärften im Jahre 2011 die ohnehin schon bestehenden Engpässe an den Beschaffungsmärkten insb. für Bauelemente, aber auch wichtige Rohstoffe, wie Silizium, dramatisch. Da wichtige Fabriken beschädigt oder zerstört wurden, war eine Wiederaufnahme der vollen Produktion oft nicht vor Sommer oder Herbst 2011 zu erwarten. Gleiches gilt für die jetzige Situation mit Produktionsstillständen an diversen Standorten weltweit.

Die hierdurch bewirkten erheblich verlängerten Lieferzeiten führten und führen zu Problemen bei der Fertigung auch in Deutschland. So kann oft teilweise nicht einmal mehr mit Sicherheit gesagt werden, wann und ob überhaupt Teile geliefert werden können – von möglichen Qualitätsproblemen ganz zu schweigen.

Lieferverzögerung ist höhere Gewalt

Die hierdurch bedingten Verzögerungen sind von dem betroffenen Unternehmen nicht zu vertreten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie bei Vertragsschluss nicht zu erwarten und auch nicht vorhersehbar sind. Es handelt sich damit um einen Fall der höheren Gewalt.

Um das uns allen vor Augen befindliche Beispiel Japan zu bemühen: Dass Japan in einer erdbebengefährdeten Zone liegt, lässt als solches noch nicht vorhersehen, dass und wann sich ein Erdbeben diesen Ausmaßes ereignen würde und dass es solch dramatische Auswirkungen haben würde.

Und für Corona gilt: Dass ein Virus zu einem globalen Lockdown führen würde, ist bisher noch nie geschehen und war auch nicht – schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt konkret – vorhersehbar. Noch im Dezember 2019 hätte niemand mit einem solchen Lockdown gerechnet oder rechnen können.

Dies Möglichkeit zur Berufung auf Höhere Gewalt besteht allerdings nur für den Fall, dass das betroffene Unternehmen die Bestellung rechtzeitig veranlasst hat und man daher davon ausgehen konnte und durfte, dass die bestellte Ware unter gewöhnlichen Umständen rechtzeitig eingetroffen wäre. Für den Fall, dass man aus anderen Gründen schon nicht mit einer rechtzeitigen Lieferung hätte rechnen können, kann man sich hierauf nicht berufen.

Die Berufung auf höhere Gewalt ist allerdings nicht möglich, falls eine Bestellung ohne weiteren Vorbehalt nach Kenntnis der Umstände, die die Einrede der höheren Gewalt bewirken, angenommen oder bestätigt wird.

Rechtliche Folgerungen

Wenn sich also die Lieferverzögerung als ein Fall höherer Gewalt darstellt, so hat das betroffene Unternehmen die Verzögerung nicht zu vertreten. Schadensersatzansprüche des Kunden entfallen dann in aller Regel, da Schadensersatz nach deutschem Rechtsverständnis regelmäßig Verschulden voraussetzt.

Internationale Betrachtung

Dieses für das deutsche Recht gefundene Ergebnis wird auch für viele internationale Rechtsbeziehungen Gültigkeit haben. Dies legt zumindest die ICC Force Majeure-Clause 2003 nahe.

Diese von der Internationale Handelskammer (ICC) in Paris entwickelte Regelung enthält in § 3 eine Auflistung von typischen Beispielsfällen höherer Gewalt, wozu insb. auch Erdbeben (Clause 3 e) einerseits und Zerstörung von Maschinen (Clause 3 f) andererseits zählen.

Informationspflicht gegenüber Kunden

Liegt ein Fall höherer Gewalt vor, so ist das betroffene Unternehmen verpflichtet, die Kunden hierüber zu informieren. Diese Verpflichtung ergibt sich teilweise explizit aus vertraglichen Regelungen. Enthält ein Liefervertrag keine solche Verpflichtung, wird die Information des Kunden jedoch als Nebenpflicht anzusehen sein. Es ist daher dringend anzuraten, die betroffenen Kunden unverzüglich zu informieren, sobald man erkennt, dass eine Verzögerung infolge eines Ereignisses höherer Gewalt eintreten wird.

Diese Informationsschreiben sollten von der Geschäftsleitung ausgehen oder zumindest mit dieser abgestimmt sein. Es empfiehlt sich, in Hinblick auf die umfangreichen rechtlichen Folgen auch anwaltlichen Rat einzuholen und alle Schreiben oder sonstigen diesbezüglichen Kundeninformationen auf ihre rechtliche Relevanz überprüfen zu lassen.

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