Coronavirus und rechtliche Fragen
Coronavirus und Recht: Die Ausgangslage
Das Corona-Virus bestimmt und verändert derzeit unser Leben. Nachdem man sich bisher schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen auf den Handel oder Reiseverkehr mit China bzw. die Auswirkungen auf Lieferketten befasst hat, rücken die Folgen auch für den nationalen Bereich, quasi für jedermann sichtbar, an uns heran. Sie drängen sich auf:
Leere Supermarkt-Regale, vorübergehend geschlossene Unternehmen, Schulen oder Kitas zeigen eindrucksvoll: Das Coronavirus geht uns alle an.
Viele rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem neuartigen Corona-Virus sind jedoch noch ungeklärt, obwohl von erheblicher Bedeutung:
Als Privatperson oder Unternehmer: Darf oder kann man kostenfrei von gebuchten Reisen zurücktreten? Was sind die Folgen des Reiseverbots für Urlaubsreisen?
Als Veranstalter: Wer haftet für eine Absage von Veranstaltungen? Was ist dann mit reservierten Hotel-Kontingenten, Verträgen mit Caterern, Technik-Ausstattern usw.? Gibt es Unterschiede zwischen einer Absage durch die Behörden oder einer „freiwilligen“ eigenen Absage des Veranstalters?
Als Unternehmer: Wer haftet bei Lieferverzögerungen für Betriebsstillstand usw.?
1. Absage von Reisen
Sofern eine gebuchte Reise wegen abgesagten Flügen nicht angetreten werden kann, bieten die Fluggesellschaften kostenlose Umbuchungs- oder Stornierungsmöglichkeiten an. Zwar verweisen die Gesellschaften regelmäßig auf eine solche Umbuchung. Darauf muss sich der Kunde aber nicht vertrösten lassen. Er kann die Tickets zurückgeben, da ja die Leistung nicht angeboten wird.
Fluggast/Zugfahrer
Ob der Fluggast oder Fahrgast Anspruch auf Schadensersatz hat, erscheint dagegen unwahrscheinlich. Denn das Transportunternehmen kann ja aufgrund der Situation die Transportleistungen regelmäßig nicht mehr anbieten – spätestens wenn bei einer Einreise in ein anderes Land der Fahr-/Fluggast vor einer geschlossenen Grenze steht. Hier dürfte die Stornierung des Fluges unter den Begriff “höhere Gewalt” fallen. D.h: Die Airline oder Bahn/Bus können die Reise stornieren, der Kunde hat Anspruch auf Rückerstattung des Transportentgeltes. Zumindest für solche Länder, für die es offizielle Reisewarnungen oder Grenzschließungen gibt, werden die Fluggesellschaften keine zusätzlichen Entschädigungen zahlen müssen. Ob dies auch bei einer Stornierung der Fahrt eines Zuges gilt, durch die der Fahrgast mehr als 60 Minuten später am Ziel ankommt, ist noch unklar. Denn streng genommen könnte der Zug ja fahren (zumindest Stand heute!) Nur er lohnt sich nicht.
Reiseveranstalter
Reiseveranstalter werden ebenfalls zumindest jetzt, da es offizielle Reisewarnungen gibt, Reisen absagen oder umplanen dürfen, ohne dass hier Ansprüche der Kunden entstehen.
Vorsorgliche Absagen von Buchungen für Reisen, die vom Veranstalter oder der Fluggesellschaft grundsätzlich noch durchgeführt werden könnten und auch würden, sind zumindest aus rechtlicher Sicht problematisch. Hier ist man letztlich auf Kulanz des Veranstalters angewiesen, es sei denn, man könnte sich auf die im einzelnen umstrittenen Grundsätze eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ berufen. Je konkreter die möglichen Risiken, desto eher wird hier eine Kündigung der Reise insgesamt oder Anpassung beispielsweise der Reiseroute denkbar sein.
Man wird jetzt wohl ein gegenseitiges Recht auf Aufhebung der Reise sehen müssen – mit der Folge, dass der Kunde zwar den Reisepreis zurückerhält. aber auch keinen Schadensersatzanspruch hat.
Reisen für Unternehmen
Die meisten Unternehmen haben inzwischen auf Homeoffice umgestellt und sagen alle Dienstreisen ab.
Sagt ein Unternehmen zum Schutz der Mitarbeiter Reisen ab und stellt auf Video-Konferenzen um, ist dies allerdings, solange keine offizielle Anordung des Verzichts auf jegliche Dienstreisen gibt, eine eigene geschäftliche Entscheidung und geht im Zweifel voll zulasten des Unternehmens. Eine Erstattung von verbindlich gebuchten Leistungen ist nur im Ausnahmefall und im Zweifel nur auf Kulanz möglich.
2. Absage von Veranstaltungen
a) Untersagung durch behördliche Anweisung
Rechtlich unproblematisch hinsichtlich einer Haftung ist es, wenn durch behördliche Anweisung eine Veranstaltung abgesagt wird.
Wird von einer Gemeinde, einem Bundesland oder der Bundesregierung verfügt, dass Veranstaltungen ab einer bestimmten Größe nicht mehr durchgeführt werden dürfen (derzeit gilt dies flächendeckend für alle Veranstaltungen über 1000 Personen, z.T. ab 100 Perrsonen, z.T. ab 10 Personen), so ist dies für den Veranstalter als ein Fall höherer Gewalt anzusehen. Er kann die Veranstaltung absagen und entsprechende vertragliche Vereinbarungen, die sich auf die Buchung des Veranstaltungsorts beziehen, im Zweifel kostenfrei stornieren. Allerdings sind hier stets die vertraglichen Vereinbarungen für Fallgestaltungen dieser Art zu prüfen. Wichtig ist: Dies gilt nur, wenn ein ausdrückliches Verbot erlassen ist; bei bloßen Empfehlungen ist das Kostenrisiko voll beim Veranstalter! Daher ist es geradezu wünschenswert, wenn die Politik sich endlich zu entsprechenden ausdrücklichen Verboten entschließt und nicht immer wieder von “Empfehlungen” spricht. Haftungsrechtlich wird durch ein Verbot eine klare rechtliche Ausgangslage geschaffen.
Vom Veranstalter ergänzend zu klären sind insbesondere auch die Vertragsbeziehungen mit Lieferanten oder anderen Betroffenen, zum Beispiel Hotels usw. Die diesbezüglichen Verträge hinsichtlich reservierten Kontingenten, Cateringleistungen usw. hängen je nach Fallgestaltung oft nicht so zwingend und unmittelbar zusammen, dass die behördlich veranlasste Absage der Veranstaltung auch zur Aufhebung dieser Verträge führen würde. Eine genaue Prüfung der Verträge under der Aufzeichnungen zu den Vertragsverhandlungen ist erforderlich; auch sind frühzeitige Gespräche dringend empfehlenswert.
Ein Veranstalter ist aus heutiger Sicht zwingend gefordert, bereits heute mögliche behördliche Verbote in Erwägung zu ziehen und sich auf Eventualitäten, wie z.B. die behördlich veranlasste Absage der Veranstaltung, einzustellen. Daher sollten alle Verträge, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung geschlossen wurden, auf den Prüfstand gestellt werden. Dazu gehört auch, dass die vorvertraglichen Erklärungen betrachtet werden. Je deutlicher der Veranstalter diese ergänzenden Leistungen an die Veranstaltung geknüpft hat, desto eher können auch diese Leistungen vom Veranstalter für ihn kostenfrei abgesagt/storniert werden.
b) Absage durch den Veranstalter
Sagt der Veranstalter vorbeugend eine Veranstaltung ab, um die Eventualitäten von vornherein auszuräumen, so ist dies eine eigene Entscheidung des Veranstalters und höchstens ganz indirekt als ein Fall höherer Gewalt anzusehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn im betroffenen Ort/Bundesland ein Verbot erst einmal nur bis Ende März oder bis Ende der Osterferien erlassen wird, die Veranstaltung aber danach stattfinden soll. Dann ist die Absage noch ohne zwingenden Grund erfolgt – das Risiko, dass die Veranstaltung dann doch wider der verantwortlichen Erwartung doch hätte durchgeführt werden können, liegt voll beim Veranstalter. Daher muss der Veranstalter zuwarten, bis auch für den betroffenen Zeitraum die Politik offiziell Veranstaltung dieser Art und Größe untersagt.
Bei einer vorbeugenden Absage umso mehr, aber auch bei einer Absage aufgrund behördlichen Verbots gilt das oben zu der Überprüfung aller Verträge und gegebenenfalls Führung von Nachverhandlungen Gesagte umso stärker. Stornierungsfristen sind zu beachten, gegebenenfalls Nachverhandlungen mit den Lieferanten und sonstigen Beteiligten zu führen.
Voraussetzung erfolgreicher Verhandlungen und guter Ergebnissse ist gutes Vertragsmanagement und intensive rechtliche Bewertung.
c) Lieferverzögerungen
Lieferverzögerungen bergen besonders für die Unternehmen ein hohes Risiko. Bandstillstand kann die Folge sein.
Gerade in Zeiten globalen Sourcings ist die Abhängigkeit von Unternehmen in anderen Ländern ganz erheblich. Viele elektronische Bauteile werden praktisch ausschließlich in Fernost gefertigt, wo derzeit die Bekämpfung des Coronavirus vorübergehende Betriebsstilllegungen bewirkt. In der Folge von staatlichen Anordnungen zur Quarantäne ganzer Städte oder Gebiete werden Lieferketten unterbrochen – auch wenn die Grenzen für Waren offen bleiben sollen. Aber wenn keine Flugzeuge und Züge mehr fahren, keine Schiffe mehr unterwegs sind, hilft dieses Bestreben nichts.
Je nach Fallgestaltung liegt bei Unterbrechung der Lieferketten ein Fall höherer Gewalt vor; es können alternativ oder ergänzend die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gelten (§ 313 BGB), wodurch Verträge quasi zwangsweise auf Wunsch eines der beiden Partner angepasst oder gekündigt werden können. Komplexe rechtliche Fragen sind die Folge.
Häufig empfiehlt es sich, frühzeitig mögliche faktische Risiken zu identifizieren und mit den Vertragspartnern Lösungen zu suchen.
3. Vorbeugung
Die vielfältigen rechtlichen Fragen erfordern frühzeitiges, engagiertes und kompetentes Handeln – Beratung tut häufig dringend Not.
Aufgrund der ständig sich ändernden Nachrichtenlage sollte man keinesfalls Zuwarten, bis man vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Wir unterstützen gerne bei den vielfältigen vertragsrechtlich relevanten Fragen und geben praxisorientierte vorbeugende Ratschläge.